GAST-OST
Gesellschaft zur Agrarstrukturförderung Osteuropas e.V. Halle

Analysenmaterial zur osteuropäischen Landwirtschaft

Entwicklungen und Trends in der Russischen Landwirtschaft

Russland ist mit der weltweit größten landwirtschaftlichen Nutzfläche pro Einwohner ausgestattet. Bei 1,46 ha pro Person sind dies 6 bis 10 mal mehr als in den meisten anderen Ländern. Obwohl in Russland zwischen 1990 und 2000 der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt von 13,3 % auf 6,8 % und bei der Anzahl der Beschäftigten insgesamt von 14,0 % auf 13,3 % zurückgegangen ist, liegt er noch immer 5 bis 6 mal höher als in den meisten der entwickelten Länder (insbesondere in den USA, in Großbritannien und in Deutschland).

Vier Bereiche von landwirtschaftlichen Unternehmen
Der Übergang zu einer marktwirtschaftlich orientierten Landwirtschaft basierte hauptsächlich auf der Privatisierung und der Kommerzialisierung des Sektors. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es vier verschiedene Bereiche innerhalb der russischen Landwirtschaft.
Derzeit existieren rd. 28.000 meistens große, privatisierte landwirtschaftliche Unternehmen, die aus den 25.800 kollektiven und staatlichen Betrieben des Jahres 1990 hervorgegangen sind. Im vergangenen Jahr betrug ihr Anteil an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche 80 % (1990: 94 %) mit einer Durchschnittsgröße von 4.000 ha je Unternehmen. Auf sie entfielen 45 % der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugung (1990: 76 %). Heute trifft man in dieser Gruppe Rechtsformen wie Produktionskooperativen (vergleichbar mit Genossenschaften), Aktiengesellschaften geschlossenen Typs, Kommanditgesellschaften und andere. Im Jahr 2000 erzeugten diese Unternehmen 91 % des Getreides, 92 % der Zuckerrüben, 84 % der Sonnenblumenkerne, aber nur 38 % des Fleisches und weniger als 20 % des Gemüses und der Kartoffeln.

Obwohl sich die finanzielle Lage der landwirtschaftlichen Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren verbessert hat, trägt dieser Bereich der Unternehmen schwer an der Verschuldung, die dem jährlichen Wert der Erzeugung von schätzungsweise 220 Mrd. RUB entspricht. Die meisten dieser Unternehmen sind bankrott wegen der hohen Schulden und vieler gegenüber ihren Eigentümern und Angestellten übernommen sozialer Verpflichtungen. Inzwischen legen einige der privatisierten Unternehmen recht innovative Marktanpassungsstrategien an den Tag und bewegen sich allmählich hin zu einem "Körperschafts-Farmmodell". Im Rahmen dieses Modells nimmt das obere Management Schritt für Schritt die Landanteile und die Vermögenswerte unter Kontrolle. Ein anderes Kennzeichen dieser Unternehmen ist die vertikale Integration in die Nahrungsmittelverarbeitung und den Handel sowie eine erfolgreiche Diversifikation in nicht landwirtschaftliche Aktivitäten.

Der zweite Bereich der Unternehmen wird durch die rd. 40 Mio. Hauswirtschaften der städtischen und ländlichen Bevölkerung (Subsästenzwirtschaften) gebildet. Sie sind über das ganze Land verteilt und schwanken erheblich in ihrer Größe. So findet man Wirtschaften von 0,06 ha bis zu mehr als 15 ha, in Abhängigkeit von der Landverfügbarkeit und der regionalen Gesetzgebung. Zwischen 1990 und 2000 ist der Anteil der Hauswirtschaften an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche von 6 % auf schätzungsweise 14 % gestiegen sowie an der landwirtschaftlichen Erzeugung von 24 % auf 50 %, darunter 92 % der Kartoffeln, 76 % des Gemüses, 57 % des Fleisches und 51 % der Milch.

Nach Ergebnissen verschiedener Studien vermarkten die Hauswirtschaften nur einen relativ geringen Anteil ihrer Produktion, nämlich beim Fleisch 37 %, bei der Milch 19 % sowie bei Gemüse und Kartoffeln mehr als 10 %. Einige Hauswirtschaften entwickeln sich allmählich zu kleinen kommerziellen Unternehmen, wohingegen die meisten Hauswirtschaften weiterhin als soziales Sicherheitsnetz für die Ernährung von Millionen ländlicher und städtischer Bewohner fungieren werden.

Den dritten Bereich der landwirtschaftlichen Unternehmen in Russland stellen die Familienunternehmen, von denen heute rund 262.000 gezählt werden. Sie besitzen ca. 7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche und steuern etwas über 5 % der landwirtschaftlichen Erzeugung bei. (Man vermutet, dass die offiziellen Statistiken diesen Anteil beträchtlich unterschätzen). Im Jahr 2000 konnten die Familienunternehmen ihre Produktion um 17 % steigern im Vergleich zu 5 % des gesamten landwirtschaftlichen Sektors. Daneben zeigt auch die Anzahl der Familienunternehmen sowie der Flächenausstattung eine wachsende Tendenz. Im Durchschnitt bewirtschaften sie derzeit 58 ha. Nach offiziellen Angaben erzeugten die Familienunternehmen im Jahr 2000 8,4 % des Getreides (5,5 Mio. t), 14,2 % der Sonnenblumenkerne und 4,9 % der Zuckerrüben. Allerdings ist der größte Teil dieser Unternehmen zu klein, um moderne Technologien zu verwenden. Außerdem macht ihnen der Mangel an Ausrüstung, Krediten, Informationen und Vermarktungsdiensten zu schaffen. Es gibt daher nur wenige Beispiele für gut geführte, wirtschaftliche und relativ große Familienunternehmen.

Neben den hier aufgeführten drei Bereichen der russischen Landwirtschaft gibt es noch einen weiteren, der allerdings statistisch kaum in Gewicht fällt. Er umfasst die "Neuen Unternehmen". Darunter fallen landwirtschaftliche Tochterunternehmen von Banken, Vorleistungsunternehmen und Unternehmen für den Nahrungsmittelvertrieb sowie einige erfolgreiche Körperschafts- und Familienunternehmen. Wesentliches Kennzeichen dieser "Neuen Unternehmen" ist die Trennung des Besitzes von landwirtschaftlichem Vermögen vom Management und der Kontrolle. Sie leasen landwirtschaftliche Flächen und Tierhaltungsbetriebe oder erwerben den gesamten bankrotten Betrieb. Die Größe dieser Unternehmen schwankt beträchtlich. Es gibt Unternehmen, die mehr als 100.000 ha Ackerfläche in verschiedenen Teilen des Landes kontrollieren. Ein anderer beliebter Weg, in der Landwirtschaft tätig zu werden, ist die Einrichtung von Dienstleistungsunternehmen für landwirtschaftliche Aufgaben auf den Flächen, die unprofitablen und bankrotten Unternehmen gehören. Eines der besten Beispiele für solche Unternehmen sind die landwirtschaftlichen Technologiestation (MTS). Nach Angaben des russischen Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung gab es im vergangenen Jahr bereits fast 800 MTS im ganzen Land, die rd. 9 Mio. ha Ackerland bearbeiten. Solche landwirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen tragen dazu bei, die Verfügbarkeit von Landmaschinen zu verbessern. Insgesamt führte die Einrichtung der "neuen Unternehmen" zu einem besseren Kapitalzugang, zur Einführung neuer Technologien, zur Steigerung der Produktivität sowie zu einer besseren vertikalen Integration innerhalb der Agrarwirtschaft. Die "Neuen Unternehmen" sind die treibende Kraft für die großdimensionierte Landwirtschaft in Russland.

Schwierige Situation der Landwirtschaft nach der Wende
In den Jahren 1990 bis 2000 führte die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage in Russland zu einer beispiellosen Reduzierung der Produktion in der Land- und Ernährungswirtschaft. Die landwirtschaftliche Produktion schrumpfte um 44 %, darunter Getreide um 44 % (von 116,7 auf 65,5% Mio. t), Fleisch um 59 % (von 10,7 auf 4,4 Mio. t Schlachtgewicht), Milch um 43 % (von 55,7 auf 31,9 Mio. t). Dagegen wurde die Erzeugung von Kartoffeln um 10 % ausgedehnt (von 30,8 auf 34,0 Mio. t), während die Gemüse- und Melonenerzeugung um 21 % (von 10,3 auf 12,5 Mio. t) gesteigert wurde. Die Sonnenblumenproduktion stieg um 14,7 % (von 3,4 auf 3,9 Mio. t). Die Zuckerrübenerzeugung wurde dagegen um 54 % zurückgeschraubt (von 32,3 auf 14,0 Mio. t).
Da im gleichen Zeitraum die Bevölkerung lediglich um 1 % abgenommen hat, sind die Veränderungen pro Kopf sehr ähnlich. Die Pro-Kopf-Erzeugung von Getreide ging von 786 auf 453 kg zurück (- 42 %), bei Milch von 375 auf 220 kg (- 41 %) und bei Fleisch von 69 auf fast 30 kg (- 43 %). Die Kartoffelproduktion stieg dagegen von 208 auf 233 kg pro Kopf (+ 12 %) und die von Gemüse von 69 auf 85 kg (+23 %).

Weniger Getreide, mehr Kartoffeln angebaut
Der Rückgang des Ackerbaus war teilweise das direkte Resultat der schrumpfenden landwirtschaftlichen Nutzfläche von 215,6 auf 205,0 Mio. ha (- 5 %) und einer verringerten Anbaufläche von 117,8 auf 85,4 Mio. ha (- 28 %). Bei der letzteren wurden die Getreideflächen von 63,0 auf 45,6 Mio. ha (- 23 %) und die Flächen für die Futtererzeugung von 44,6 auf 30,02 Mio. ha (- 33 %) reduziert. Auf der anderen Seite dehnten die Landwirte die Anbauflächen für Kartoffeln von 3,1 auf 3,3 Mio. ha (+ 6 %), die von Gemüse von 0,6 auf 0,8 Mio. ha (33 %) und die der Sonnenblumen von 2,7 auf 4,6 Mio. ha (+ 70 %) aus.
Die Veränderung bei den Erträgen schwankten erheblich. Die Getreideerträge rutschten um 26 % ab (von 19,5 auf 14,4 dt/ha) und die von Gemüse um 15 % (von 167 auf 142 dt/ha). Bei den Kartoffeln blieben sie mit 104 dt nahezu konstant.
Die strukturellen Veränderungen beim Ackerbau waren vor allem die Reaktion auf die Verlagerung der Nachfrage seitens der Verbraucher nach den billigsten landwirtschaftlichen und verarbeiteten Erzeugnissen. Der dramatische Anstieg der Anbauflächen und der Erzeugung von Sonnenblumenkernen spiegelte den wachsenden Bedarf auf dem Binnenmarkt, aber auch auf dem Weltmarkt wider. Russland ist es gelungen, seinen relativen Vorteil unter den Sonnenblumen anbauenden Ländern zu demonstrieren. Der Rückgang der Zuckerrübenproduktion hing dagegen mit dem steigenden Import von Rohzucker zusammen.

Tierische Erzeugnisse aus einheimischer Erzeugung weniger nachgefragt

Der Ackerbau einschließlich des stark gesunkenen Futterbaus hat den Tierhaltungssektor teilweise ersetzt, der überdimensioniert, ineffizient, stark subventioniert und im hohen Maß von importierten Futtermitteln abhängt. Die Reduzierung der Verbrauchersubventionen sowie die der subventionierten Futtermittelimporte, die der einheimischen Futtermittelindustrie zu schaffen machten, führte zu relativ hohen Erzeuger- und Einzelhandelspreisen für tierische Erzeugnisse, speziell während der ersten Hälfte der 90er Jahre. Dies führte zu einer verringerten Nachfrage und zu einer zunehmenden Einfuhr von billigeren Produkten tierischen Ursprungs. Als Folge hiervon, wegen der niedrigen Effizienz sowie wegen des Futtermangels musste der Tierhaltungssektor der russischen Landwirtschaft große Verluste hinnehmen und sich immer stärker verschulden. Dies führte letztlich zu einem immensen Abbau der Tierbestände. Von 1990 bis 2000 ging die Anzahl der Rinder von 58,8 auf 27,2 Mio. Tiere zurück (- 54 %), die der Schweine von 40,0 auf 15,7 Mio. Tiere (-61 %) und die der Schafe und Ziegen von 61,3 auf 14,8 Mio. Tiere (- 76 %). Die Milchleistung der Kühe schrumpfte von 2.731 kg auf 2.341 kg pro Jahr (- 14 %). Die Fütterungseffizienz sank ebenfalls. Die Anzahl der Futtereinheiten (Haferäquivalent) pro erzeugter Einheit in der Rinderhaltung stieg von 13,5 auf 14,8 an (+9,1 %), in der Schweineproduktion von 8,3 auf 10,9 (+ 31 %) und bei der Milchproduktion von 14 auf 15 Futtereinheiten (+ 28 %) (1990-1999).

Der Rückgang der russischen landwirtschaftlichen Erzeugung sowie die sinkende Effizienz im Ackerbau und in der Tierhaltung waren direkt mit einem erheblichen Rückgang beim Angebot und einem Anstieg der Preise für die wichtigsten landwirtschaftlichen Betriebsmittel verbunden. Zwischen 1990 und 2000 ist die Anzahl der landwirtschaftlichen Maschinen um das 1,5fache bis dreifache gesunken, darunter Traktoren (- 42 % von 1,4 auf 0,8 Mio. Stück), Mähdrescher (-51 % von 408.000 auf 199.000) und Futtererntemaschinen (-51 % von 1.212.000 auf 59.000 Stück).

Abbau der Landwirtschaft konnte gestoppt werden
Zwischen 1990 und 2000 sind grundlegende Maßnahmen ergriffen worden, um die Agrar- und Ernährungswirtschaft von einer zentralistischen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft umzuwandeln. Hierzu zählen u. a. die Privatisierung sowie die Freigabe der Preise und des Handels. Allerdings gestalteten historisch verwurzelte verzerrte Vorstellungen und die Unbeständigkeit dieser Maßnahmen den Prozess der Transformation extrem widersprüchlich. Die negativen Folgen waren vielfältig. So brachen sowohl die Erzeugung als auch der Verbrauch von Nahrungsmitteln erheblich ein. Es entstanden ineffiziente, nicht wettbewerbsfähige landwirtschaftliche und andere Unternehmen. Der Anteil der Ausgaben für die Lebensmittel an den Gesamtausgaben stieg. Gleichzeitig brachte der entstehende Markt jedoch auch positive Entwicklungen mit sich. Bei der Lebensmittelverarbeitung, dem Vertrieb und bei den Dienstleistungen gab es revolutionäre Änderungen. Die Motivation für eine höhere Effizienz stieg, insbesondere durch Änderungen bei der Importstruktur.

Die teilweise Übernahme von Marktprinzipien trug nicht nur dazu bei, den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft vom August 1998 zu überwinden, sondern auch den Abbau des russischen Landwirtschaftssektors zu stoppen. Seit 1999 hat sich die Lage dieses Sektors verbessert. Dennoch stellt die niedrige Effizienz und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit das Hauptproblem der russischen Landwirtschaft und des gesamten Nahrungsmittelsektor dar.

Neue Rahmenbedingungen nach der Finanzkrise
Zwischen 1999 und 2000 entwickelte sich der russische Agrarsektor unter neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ausgelöst durch die Finanzkrise im August 1998 und die massive Rubelabwertung. Die Krise führte zu einem erheblichen Einbruch bei den Einfuhren von Lebensmitteln (speziell von August 1998 bis zur zweiten Hälfte von 1999) und zu einem deutlichen Anstieg aller Preise für landwirtschaftliche und verarbeitete Erzeugnisse, da das geringe Wachstum der einheimischen Erzeugung die reduzierten Importe nicht vollständig ausgleichen konnte. Ein anderes wichtiges Phänomen nach der Krise war das allgemeine Wachstum der russischen Wirtschaft. Nach einem Jahrzehnt des konstanten Rückgangs stieg das jährliche russische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 1999 um 3,5 % und in 2000 um 7,7 % (so die jüngsten Schätzungen von Goskomstat). Die günstige Außenhandelssituation (hohe Öl- und Gaspreise vor dem Hintergrund der wegen der Rubelabwertung gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten) verursachte eine Rekordaußenhandelsbilanz und verbesserte nachhaltig die monetäre Lage des Landes. Eine solch günstige Lage führte auch zu einer Stärkung der Kaufkraft und ließ die Nachfrage nach einheimischen Lebensmitteln ansteigen.

Insgesamt gesehen haben die Entwicklungen nach der Krise dazu geführt, dass die landwirtschaftliche Erzeugung im Jahr 1999 um 2,4 % und im Jahr 2000 um 5 % zugenommen hat. Allerdings gibt es noch immer Unterschiede zwischen dem Pflanzenbau und der Tierhaltung. Der Pflanzenbau konnte die Produktion um 10,1 % in 1999 und um 8,9 % im Jahr 2000 steigern, während der weniger effiziente und trägere Tierhaltungssektor einen Rückgang der Produktion um 3,7 % und einen Anstieg in 2000 um lediglich 0,6 % verbuchte.

Trotz geringerer Anbaufläche höhere Erntemengen in 2000
Im Jahr 2000 ist die Erzeugung von Getreide um 19,7 %, darunter die von Weizen um 11,2 %, die Gemüseproduktion um 1,4 % und die der Kartoffeln um 1,8 % gestiegen. Andererseits sank die Erzeugung von Sonnenblumenkernen (- 5,7 %) und von Zuckerrüben (- 7,7 %). Die gesamte Anbaufläche schrumpfte gegenüber 1999 von 88,3 auf 85,4 Mio. ha (- 3 %), darunter die Fläche für Getreide um 2 % (von 46,5 auf 45,6 Mio. ha). Die Körnermaisfläche wiederum wurde um 15 % auf 0,8 Mio. ha ausgedehnt.

Obwohl die Anbauflächen insgesamt eingeschränkt wurden, konnten die Landwirte umfangreiche Ernten einfahren, was auf höhere Erträge zurückzuführen ist. Die Zuwachsraten betrugen bei Getreide 23 %, Zuckerrüben 3 % und bei Sonnenblumenkernen 15 %.

In der Tierhaltung gestaltet sich die Situation differenziert. Nach einem Jahrzehnt des konstanten Abbaus legte die Fleischerzeugung um 2,7 % zu (von 6,8 auf 7,0 Mio. t Lebendgewicht). Die Anzahl der Rinder reduzierte sich um 2,6 % auf 27,3 Mio. Tiere, während die Schweinebestände um 14 % auf 15,7 Mio. Tiere schrumpften. Die Bestände der Schafe und Ziegen blieben nahezu unverändert (rd. 14,7 Mio. Tiere). Der geringfügige Anstieg der Rotfleischerzeugung war verbunden mit einem besseren Futterangebot und einer höheren Effizienz im gesamten vertikalen Rotfleischsektor.

Entwicklung der Getreideerträge in Russland (dt/ha)
  1989 1990 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Wi.-Weizen 29,3 33,7 33,7 26,2 25,9 22,1 16,9 17,9 23,0 16,9 22,3
Wi.-Gerste 35,2 45,4 32,5 33,2 26,6 28,3 28,4 23,6 25,0 - -
Wi.-Roggen 15,3 20,5 18,3 15,3 15,4 12,6 14,3 18,8 8,7 14,7 -
Mais 32,6 28,2 26,4 30,5 17,0 27,0 17,5 31,8 10,0 15,2 18,8

Geflügelfleischerzeugung ausgedehnt
Im Jahr 1999 führten der Einbruch bei den Geflügelfleischimporten und die höheren Preise dieses Produktes, neben Investitionen sowie Fortschritten bei der Technologie und beim Futterangebot, zu einer Steigerung der einheimischen Geflügelfleischerzeugung um 10 % (von 10,0 auf 10,1 Mio. t Lebendgewicht). Im vergangenen Jahr hat sich dieser Anstieg wegen der niedrigen Kapitalinvestitionen verlangsamt. Das Wachstum der Eiererzeugung setzte sich fort (um 3,4 % in 1999 und um 2,2 % im Jahr 2000). Die Legeleistung verbesserte sich in 2000 um 6,1 % auf 264 Stücke. Obwohl im vergangenen Jahr das Milchaufkommen um 1,0 % gesunken ist, konnte die Milchleistung um 2,6 % auf 2.341 kg gesteigert werden.

Insgesamt hat sich die finanziellen Situation der russischen Landwirtschaft in den vergangenen beiden Jahren wegen der niedrigeren Lebensmitteleinfuhren, der gestiegenen Erzeugerpreise, die schneller angezogen als die Preise für Betriebsmittel, und wegen des gesamten Wachstums der landwirtschaftlichen Produktion deutlich verbessert. Der Anteil der so genannten unprofitablen Unternehmen ging von 88 % in 1998 auf 53 % im Jahr 2000 zurück. Der Sektor erwirtschaftete im Jahr 1998 noch einen Nettoverlust in Höhe von 36,2 Mrd. RUB, während er im Jahr 2000 einen Gewinn (einschließlich staatlicher Subventionen) von 13,8 Mrd. RUB verbuchen konnte.

Nachfrage nach Betriebsmitteln gestiegen

Die verbesserte finanzielle Lage der Landwirte ließ die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Betriebsmitteln ansteigen. Im vergangenen Jahr erwarben sie 114.000 Traktoren (20 % mehr als in 1999), 1.800 Zugmaschinen (+ 18 %) 5.000 Mähdrescher (228 %) und 1,3 Mio. t Mineraldünger (+ 8 %). Im Jahr 2000 legte auch der Kauf von ausländischen Landmaschinen, speziell von gebrauchten, nach der Rubelabwertung zu. Diese Wachstumsraten können nur zum Teil durch ein extrem niedriges Ausgangsniveau erklärt werden.

Importe beeinflussten einheimische Lebensmittelerzeugung
Im vergangenen Jahrzehnt hat die Zunahme der Hauswirtschaften und der Importe von verarbeiteten Lebensmitteln sowie der Rückgang der landwirtschaftlichen Erzeugung insgesamt zu einer Reduzierung der Erzeugung in der russischen Nahrungsmittelindustrie geführt. Hiervon sind besonders die Lebensmittel tierischen Ursprungs betroffen. Zwischen 1990 und 2000 schrumpfte die Produktion von verarbeitetem Fleisch von 6,6 auf 1,1 Mio. t (- 84 %), von Vollmilchprodukten (als Vollmilchäquivalent) von 20,8 auf 6,1 Mio. t (- 71 %), von Butter von 0,8 auf 0,26 Mio. t (- 79 %). Der Anteil des Fleischs, das sie Verarbeiter umgeht, stieg von 35 % auf 72 %. Die Erzeugung von anderen Produkten sank in einem geringeren Ausmaß: Mehl (- 40 %), Pflanzenöl (- 25 %), Teigwaren (- 32 %).

Zwischen 20 und 30 % des gesamten Angebotes entfielen auf die Eigenerzeugung, nur in einigen Großstädten wurden mehr als 50 % erreicht. Das Angebot von landwirtschaftlichen und verarbeiteten Erzeugnissen hing demzufolge beträchtlich von Importen ab. Obwohl in den Jahren 1991 bis 1997 der offizielle Importwert mit 12,4 bis 12,7 Mrd. USD relativ stabil blieb und im Jahr 1998 sogar noch abnahm (auf 9,8 Mrd. USD), gewann die Struktur des Importes an Einfluss auf die einheimische Lebensmittelerzeugung und das Angebot. Zwischen 1991 und 1998 gingen die Einfuhren von Getreide von 19,4 auf 1,5 Mio. t zurück, während die Importe von Fleisch und Fleischerzeugnissen (nach Angaben des russischen Statistikamtes Goskomstat in Schlachtkörperäquivalent) von 1,6 auf 2,35 Mio. t zunahmen. Von besonderer Bedeutung ist das Geflügelfleisch. Im genannten Zeitraum nahm die Einfuhr von 0,07 auf 0,9 Mio. t zu. Gleichzeitig stiegen die Importe von Zitrusfrüchten um den Faktor 15 und die von Bananen um das 100fache.

Diese Veränderungen waren das Resultat der Freigabe des Außenhandels und der Wechselkurse zu einer Zeit, als die russische Agrarwirtschaft immer ineffizienter und weniger wettbewerbsfähig wurde. So ersetzten die zunehmenden Importe von Fleisch und Fleischprodukten die Getreideeinfuhren, die den Außenhandel der UdSSR in den 70er und 80er Jahren charakterisiert hatten.

Während die Einfuhr verarbeiteter Lebensmittel die Nachfrage nach einheimischen entsprechenden Produkten sinken ließ, förderte der Import von unverarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln (Schlachtkörper, Saftkonzentrate, Malz, Braugerste, Trockenmilchpulver, Kaffee- und Kakaobohnen etc.) nachhaltig die Entwicklung der russischen Lebensmittelindustrie. Wie schon im Jahr 1999 konnte der Sektor auch in 2000 ein Wachstum verzeichnen. Dazu beigetragen haben auch die Erholung der russischen Wirtschaft allgemein sowie die gestiegenen verfügbaren Einkommen der Verbraucher. Im Vergleich mit 1999 nahm die Erzeugung der Ernährungsindustrie um 14 % zu. Im Einzelnen wurden folgende Wachstumsraten verzeichnet: Wurstwaren 12 %, Vollmilchprodukte 8 %, Pflanzenöl 53 % und Margarine 20 %.

Entwicklung von Fleischerzeugung und Milchleistung in Russland
  1989 1990 1996 1997 1998 1999 2000
Rind-/Kalbfleischerzeugung (1.000 t SG) 4.256 4.329 2.630 2.395 2.180 1.940 -
Schweinefleischerzeugung (1.000 t SG) 3.499 3.480 1.705 1.546 1.480 1.480 -
Geflügelfleischerzeugung (1.000 t SG) 1.831 1.801 690 630 673 680 690
Milchleistung (kg/Kuh) 2.774 2.773 2.144 2.226 2.233 2.282 2.341

Langfristige Perspektiven für Ernährungsindustrie von vielen Faktoren abhängig
Gemessen am gesamten Import von Lebensmitteln hat der Anteil der marktwirtschaftlich orientierten Länder zugenommen, da die Handelsbedingungen und die Preise ihrer Produkte beträchtlich niedriger waren als die jener Erzeugnisse, die aus den GUS stammten. Die wachsende Bedeutung und die sich verändernde Struktur des Nahrungsmittelimportes rief zahlreiche kontroverse Einschätzungen hervor, darunter die Verdammung der Einfuhren als ein Faktor, der die nationale Nahrungsmittelsicherheit bedrohe. Obwohl diese Einfuhren einstweilen die Entwicklung vieler derzeit ineffizienter landwirtschaftlicher Unternehmen behinderte, motivierten sie dennoch insgesamt die neu privatisierten russischen Nahrungsmittel verarbeitenden Unternehmen sowie die Vertriebsunternehmen, die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die Verfügbarkeit, die Qualität, das Angebotsspektrum, die Verpackung und die Haltbarkeit der verarbeiteten Produkte zu verbessern.

Die langfristigen Aussichten für die Ernährungsindustrie Russlands hängen vor allem von der Lage der Landwirtschaft und vom Angebot an Rohmaterialien vor Ort ab. Es ist für die Industrie kaum möglich, weiterhin auf der Basis von importierten Stoffen zu wachsen, was besonders für tierische Erzeugnisse gilt. Die Industrie benötigt eine bessere Koordination bezüglich der Technologie und der Preise zwischen den landwirtschaftlichen Unternehmen (einschließlich der "neuen Unternehmen") und den Verarbeitern, einen größeren Zufluss an einheimischen und ausländischen Kapital sowie den Wiederaufbau der Organisationsstruktur und die Einführung moderner Managementmethoden.

Export von Agrargütern konnte zulegen
Nach vorläufigen Angaben des russischen Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung nahm der Export von Erzeugnissen der Agrarwirtschaft (Land- und Ernährungswirtschaft) gegenüber dem Vorjahr von 611 Mio. USD auf 1.292,7 Mio. USD zu. Die Ausfuhr von Pflanzenölen stieg um 502 % (auf 185.000 t, vor allem wegen der Inbetriebnahme einer großen Öl erzeugenden und exportierenden Anlage im Süden Russlands), die der Ölsaaten um 241 % (auf 1,2 Mio. t) sowie bei Getreide um 23 % (auf 1,0 Mio. t). Daneben ist Russland nach wie vor ein bedeutender Exporteur von Mineraldünger. Im vergangenen Jahr belief sich deren Ausfuhrvolumen auf 20,1 Mio. t. Auch Felle und Häute werden ausgeführt (118 Mio. USD). Im gleichen Zeitraum gingen die Einfuhren agrarwirtschaftlicher Erzeugnisse von 7.914 Mio. USD auf 6.909,7 Mio. USD zurück. Die wichtigsten Positionen hierunter waren Geflügelfleisch (686.900 t), Rotfleisch (593.500 t), Fisch (319.800 t), Getreide (4,6 Mio. t), Zucker (4,6 Mio. t) und Baumwolle (296.000 t).

Pro-Kopf-Verbrauch weniger gesunken als die Produktion
Im vergangenen Jahrzehnt ist der Pro-Kopf-Verbrauch im geringeren Ausmaß als die Nahrungsmittelproduktion gesunken. Dies hängt mit den gestiegenen Einfuhren zusammen, die 20 bis 30 % des gesamten Angebots an Lebensmitteln ausmachen. In den Jahren 1990 bis 2000 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei Fleisch um 13 kg und bei Milch um 4 kg höher als die einheimische Erzeugung. Hier spielen die Hauswirtschaften eine zunehmende Rolle.

Dennoch haben der sinkende Import von Nahrungsmitteln und die steigenden Einzelhandelspreise die Verzehrsgewohnheiten der russischen Bevölkerung im vergangenen Jahrzehnt wesentlich zugunsten der weniger teuren Produkte geändert. Der Pro-Kopf-Verbrauch fiel bei Fleisch von 75 auf 43 kg, bei Milch von 386 auf 216 kg sowie bei Obst und Trauben von 35 auf 28 kg. Der Verzehr von Brot und Backwaren (in Mehläquivalenten) blieb in diesem Zeitraum nahezu unverändert bei 118 kg, während der Verbrauch von Kartoffeln um 12 % von 110 auf 123 kg angestiegen ist.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die russische Landwirtschaft derzeit günstige Rahmenbedingungen erlebt, die u. a. auf die hohen Energiepreise auf dem Weltmarkt und die steigenden Einkommen der Verbraucher zurückzuführen sind. Das wirtschaftliche Wachstum betrifft die meisten Sektoren der einheimischen Agrarwirtschaft, insbesondere jedoch den Pflanzenbau und die Nahrungsmittelindustrie.

Deutsche Exporte Mio. DM Anteil (%)
Lebende Tiere 3,3 0,3
pflanzliche Nahrungsmittel 489,4 41,2
tierische Nahrungsmittel 489,4 41,1
Genußmittel 207,2 17,4




 


© Gast-Ost e.V., Str. der Waggonbauer 14b, 06132 Halle-Ammendorf - 2002


E-mail

 

 


po russky

 
 
letztes Update: 17.07.2002
Homepagewartung